|
Holotrichius tenebrosus
BURMEISTER, 1835: Beobachtungen zur Maskierung der Larven.
Zumeist wird im Zusammenhang mit Reduvius personatus L. das Maskieren
bei den Reduviiden erwähnt. Bei WEBER (S. 90) findet man
dazu eine Zeichnung und eine ausführliche Beschreibung, die
das Maskieren als einen von der Larve absichtlich vorgenommenen
Akt erklärt, der ausschließlich nachts vorgenommen
wird. Der Sinn des Maskierens wird von WEBER (S. 483) nicht als
aggressive Verbergetracht akzeptiert, die Hilfsmittel beim Beutefang
ist, da die rein nächtliche Lebensweise keinen Schutz gegen
Sicht nötig macht. Er verweist auch auf die z.T. grellfarbigen
Staub-Maskierungen, die zeigen, daß Reduvius die Maskierung
nicht optisch kontrolliert.
Bei MILLER (S. 118) wird auf weitere Gattungen außer Reduvius
verwiesen, bei denen Maskierung vorkommt: Acanthapsis und Paredocla.
Er sagt, daß sich adulte und larvale Tiere tarnen können.
Ihm ist der Sinn dieser Maskierung völlig unklar: "It
is still a complete mystery what purpose this masking of the body
with debris serves, since the genera which have that habit live
almost entirely in concealment in secluded and dark places. The
opinion is expressed sometimes that the disguise is an aid in
the capture of prey and also that it is protective against enemies."
Bei MCGARVIN (S. 54) findet man zu diesem Thema für die Reduviiden
folgende Aussage: "Many are masters of disguise, concealment
and camouflage, coloured to blend with their substrate or coloured
and physically modified to resemble their prey."
SCHUH und SLATER (S. 31) deuten die Maskierung als "protective
coloration". Sie verweisen auch darauf, daß das Verhalten
bei Reduvius personatus wahrscheinlich nicht durch das Zusammenleben
mit dem Menschen entstanden ist, "because a similiar phenomenon
also occurs in some species in dry dusty habitas, where the nymphs
cover themselves with small particles of sticks and other debris
and become almost invisible among the detritus in which they live."
Eine andere Deutung als "protective" wird nicht gemacht.
Auch bleibt offen wofür oder wogegen dieser Schutz dienen
soll.
Zusammenfassend gibt es also zwei Vermutungen: Die Tarnung dient
1. dem Schutz vor Feinden und 2. als Hilfmittel beim Beutefang.
Für Holotrichius tenebrosus gilt, daß die Maskierung
eine Verhaltensweise der Larven ist. Erwachsene Tiere habe ich
nie mit einem angehefteten Tarnkleid gefunden.
Da die Eier in den Boden versenkt werden, ist zu erwarten, daß
die schlüpfenden Larven mit Erdkörnchen bedeckt sich
aus dem Boden herausarbeiten. Das ist nicht so! Die Larven entsteigen
dem Boden, ohne daß auch nur ein Erdteilchen an ihnen festklebt.
Sie sind völlig weiß, nur die Komplexaugen sind schon
schwarz. Nach einiger Zeit kann man unter dem Binokular erkennen,
daß an den langen, borstenförmigen Haaren, die Körper,
Beine und die ersten beiden Fühlerglieder bedecken, kleine
Flüssigkeitströpfchen austreten. Erst jetzt tritt das
ein, was auch bei WEBER für Reduvius personatus beschrieben
wird: die Larven bewerfen sich nur mit den Hinterbeinen. Dabei
werden mit den Klauen kleine Erdklümpchen oder Sandkörner
festgehalten und vom Bein mit Schwung auf den Körper geworfen.
Oft fliegt ein solches Teilchen auf der anderen Seite des Tierchens
wieder zu Boden. Die Körperhaltung ist bei einer sich bewerfenden
Larve sehr typisch. Sie hält den Rücken schräg,
so daß er an der Wurfseite höher steht als an der abgewandten
Seite. Die Schenkel der Beine auf dieser Seite bilden mit dem
schräggehaltenen Rücken eine v-förmige Rinne, in
die der größte Teil des Wurfmaterials fällt. Von
Zeit zu Zeit wird das Wurfbein gewechselt. Nach etwa 30 Minuten
war Larve 25/97 gut mit Material bedeckt. Aber sie schien irgendwie
zu fühlen, daß es noch nicht genug war, und arbeitete
noch 27 Minuten länger an ihrer Maskierung. Larve 70/99 brauchte
dafür 45, Larve 138/99 nur 21 Minuten.
Eine ähnliche Aussage zur Maskierung bei Reduviiden findet
sich unter "Le mécanismme de la prosoponie" bei
DISPONS (1955, S.107), aber unter "Les Réduviides
prosoponiques" stellt er auf S. 110 für Holotrichius
fest: "Les larves d'Holotrichius sont souvent couvertes de
terre ou de sable dont les particules restent très adhérentes
au corps, mais nous n'avons encore jamais observé de mouvements
prosoponiques ches ces Réduviides". Auch er gibt keine
Beobachtungen an, die den Grund der Maskierung deutlich werden
lassen. Es werden nur die beiden oben genannten Möglichkeiten
erwähnt.
Wenn die Larven nach dem Schlüpfen keine Gelegenheit zum
Maskieren haben, weil das Material dazu fehlt, kann man feststellen,
daß sie die Maskierung später nachholen, wenn irgendwelche
Teilchen dafür zur Verfügung stehen. Larve 41/97 fing
20 Tage nach dem Schlüpfen sofort an, sich zu tarnen, als
sie auf Sandkörnchen umgesetzt wurde. Die Klebfähigkeit
der Borstenhaare war auch nach dieser Zeit noch gegeben.
Eine nachträgliche Änderung der Maskierung wird von
den Tieren nicht durchgeführt, auch wenn die Maskierung auffällig
anders aussieht als der Untergrund. Die Larven 41/97 und 56/97
waren durch gelben bzw. grauen Sand getarnt und wurden auf den
jeweils andersfarbigen Untergrund versetzt. Ein Abkratzen und
Ersetzen der alten Maskierung unterblieb. Eine optische Kontrolle
des Aussehens der Tarnung ist offensichtlich nicht vorgesehen
und in der Natur wahrscheinlich auch nicht nötig, wenn die
Wanderbewegungen der Larven nicht über größere
Distanzen gehen - vorausgesetzt, es kommt auf eine optisch wirksame
Tarnung überhaupt an, was ja durchaus bezweifelt werden kann.
Die hier gemachten Beobachtungen stehen im Gegensatz zu den Aussagen
von DISPONS (1955, S. 109). Er konstatiert allgemein für
Reduviiden die Möglichkeit, eine einmal erlangte Maskierung
wieder loszuwerden und auf anderem Untergrund durch eine neue
zu ersetzen. Für Reduvius villosus stellt er diese Fähigkeit
durch die Wiedergabe eines Versuches explizit fest. Für Holotrichius
kann ich diese Fähigkeit bei den LI nicht bestätigen,
was auch mehrere Versuche, die 1999 nach dem oben beschriebenen
Muster durchgeführt wurden, zeigten. Bei unzureichend vorhandenem
losen Material allerdings kann eine Maskierung nicht in ausreichender
Form erfolgen, dann kann sie auf neuem Material fortgesetzt werden,
ohne daß aber das alte entfernt wird.
Bei der Zucht von Holotrichius tenebrosus kam ich zufällig
zu einem Ergebnis auf die Frage, wozu die Maskierung dient. Von
Beobachtungen in der Natur ausgehend versuchte ich die Ernährung
der Tiere zu regeln. Gefunden habe ich Holotrichius tenebrosus
in Griechenland auf dem Peloponnes unter Steinen und den Blättern
von Königskerzen. Hier kommen sie zusammen mit Hundertfüßlern,
Saftkuglern, Asseln in großer Zahl, Laufkäfern und
anderen Wanzen, besonders Lygaeiden vor. Fütterungen der
Erwachsenen mit Laufkäfern, Lygaeiden und Asseln waren erfolgreich.
Da die Asseln am häufigsten zusammen mit Holotrichius tenebrosus
vorkamen, versuchte ich 1999, ob die Aufzucht ausschließlich
mit Asseln funktioniert. Ich setzte fünf frische LI in eine
Petrischale mit Sandboden und versorgte sie mit sehr jungen Mauer-
und Kellerasseln. Eine LI starb, aber die anderen hatten nach
sieben Tagen alle von den Asseln gefressen. Dadurch ermutigt setzte
ich sechs frische LI in eine Asselzucht auf Gipsboden in einer
Petrischale mit Lüftungsschlitz. Am nächsten Tag waren
alle sechs Larven verschwunden. Waren sie durch den Lüftungsschlitz
entkommen?
Ich entfernte die Distanzhalter an der Petrischale und setzte
fünf neue LI in die Asselzucht. Nach fünf Tagen kontrollierte
ich und fand keine einzige LI. Werden die Larven etwa von den
großen Asseln gefressen? Ich setzte sofort eine neue LI
in die Asselzucht, kontrollierte am nächsten Tag und fand
keine Larve mehr! Ich setzte erneut fünf Larven ein und kontrollierte
in kurzen Abständen. Innerhalb kurzer Zeit waren die Larven
weg. Bei der letzten konnte ich das Verschwinden beobachten. Das
Tierchen stieg von einer Tonscherbe herab, kam in die Nähe
einer großen Assel, die machte eine schnelle Bewegung und
die Larve verschwand unter den überstehenden Panzerplatten
des Kopfbereiches. Dann wurde sie gefressen, ohne daß ein
Rest übrig blieb.
Haben maskierte Larven eine Überlebenschance? Ich setzte
sechs mit Sand maskierte Larven in die Asselzucht auf Gipsboden.
Zwischen 1.00 und 8.00 Uhr wurden sie alle gefressen. Dann wechselte
ich die Petrischale gegen eine mit Sandboden aus und setzte fünf
mit Sand maskierte Larven ein. Bis auf eine haben die Larven 48
Stunden in der Asselzucht überlebt. Eine unmaskierte Larve
wurde am Nachmittag dazugesetzt. Bis 21.00 Uhr war sie verschwunden,
nicht aber die vier maskierten. Dann wurden die vier maskierten
Larven gegen vier unmaskierte ausgetauscht. Zwischen 21.00 und
7.00 Uhr wurden alle vier gefressen.
Eine Maskierung mit Material, auf dem die Larven von Holotrichius
tenebrosus leben, verschafft ihnen gegen Angriffe durch Asseln
einen relativ guten Schutz. Offensichtlich werden so maskierte
Larven nicht so leicht vom Untergrund durch die Asseln unterschieden.
Damit wäre in diesem Fall die Maskierung eine Verbergetracht
zum Schutze gegen das Gefressenwerden.
Literatur |
|
Weitere Veröffentlichungen zu Holotrichius:
Probleme bei der Zucht |